Spielsucht und dubiose Deals mit der Wettmafia.
René Schnitzler sitzt mit gesenktem Kopf auf dem Podium. Er lauscht Stern-Autor Rainer Schäfer, der eine Passage aus deinem Buch vorliest. Es geht um Schnitzlers Vergangenheit, genauer wie er als ehemaliger Profi des FC St. Pauli in die Geschäfte der Wettmafia hineinrutschte.
Schäfer und Wigbert Löer, ebenfalls Stern-Autor, haben diese Geschichte im Buch „Zockerliga“ aufgeschrieben. Und während Schäfer von Schnitzlers Treffen mit der Wettmafia und von geheimen Spielabsprachen berichtet, scheint die Vergangenheit vor Schnitzlers geistigem Auge wieder aufzutauchen.
René Schnitzler war spielsüchtig, Kasinos waren sein zweites Zuhause. Mit Black Jack, Roulette, Poker wollte er zu viel Geld kommen. „Das ging schneller als auf Fußballspiele zu setzen“, sagt er. Rund 13 000 Euro brutto verdiente Schnitzler im Monat als Kicker in der Zweiten Liga – und das reichte ihm nicht aus. Am Jahresende war er im Minus“, sagt er. Die Spielschulden waren zu mächtig.
Schnitzlers Spielsucht ist wohl kein Einzelfall. Die Droge Glücksspiel ist, das wird auf dieser Veranstaltung deutlich, eine wichtige Ursache für die Korruption im Profi-Fußball.
Viele Vereinsbosse hätten ihnen geklagt, dass es zu ihren größten Problemen gehört, die Spielsucht ihrer Fußballer in den Griff zu kriegen, berichten die Stern-Autoren. Pokern, Schafskopf – die klassische Kartenspiele, in denen um Geld gespielt wird, gehören zum Alltag von Fußballern. Doch die Vereine selbst sind Partner von Wettfirmen, die Logos kommerzieller Glücksspielanbieter zieren die Werbebanden in Fußballstadien. Spiele des FC Bayern sitzen in einem Werbespot von „Bwin“ an einem Pokertisch.
René Schnitzler geriet irgendwann in die Fänge der Wettmafia. Ein niederländischer Wettpate übergab dem gebürtigen Mönchengladbacher immer wieder fünfstellige Beträge. Schnitzler sollte dafür an Ergebnissen drehen.
„Ich habe selbst nie Spiele manipuliert“, sagt er heute. Oft habe er keine Gelegenheit gehabt, das Spielergebnis zu beeinflussen, weil er nicht aufgestellt wurde. Er betrog gewissermaßen den Betrüger.
Die ersten Deals mit der Wettmafia klappten gut. Seine Mannschaft spielte so, wie es die Mafia wollte. „Wir haben in der Saison vielleicht 15 von 17 Heimspielen verloren“, sagt Schnitzler. „Ich habe mich immer auf der sicheren Seite gefühlt.“
Während Schnitzler spricht, hat er die Lacher meist auf seiner Seite. Bald, erfährt das Publikum, wird sein Pate zornig, weil St. Pauli anders spielt als von ihm erwartet. Der Gangster soll Schnitzler sogar gedroht haben, ihn bei Ebbe an einen Pfahl zu binden, um ihn in der Flut ertrinken zu lassen, wenn wieder etwas schief gehen sollte.
Derzeit wartet Schnitzler auf ein Gerichtsverfahren wegen Verdachts auf Spielmanipulation. Mit einer Therapie versucht er, die Sucht zu bekämpfen. Mitte des letzten Jahres wurde Schnitzler vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) wegen „unsportlichen Verhaltens“ für 30 Monate gesperrt. Den Profi-Fußball hat er dennoch nicht aus den Augen verloren. In einem Jahr und vier Monaten läuft seine Sperre ab. Bis dahin will er wieder fit sein. „Vielleicht spiele ich dann dritte oder fünfte Liga. Je nachdem, welche Angebote ich noch kriege“./Ende