Digitale Zukunft – Online umsonst. Wie viel seriöser Journalismus ist gratis möglich?
Mathias Müller von Blumencron, Spiegel Chefredakteur, sieht vorerst keinen Grund, sich den Onlineauftritt des Spiegel bezahlen zu lassen. Die Werbeeinnahmen stiegen tendenziell und die iPad-App sei “die wahrscheinlich kommerziell erfolgreichste Ausgabe” des Spiegel, sagte er. Problematischer sei es, die Arbeit der Magazin-Kollegen im Internet zu veröffentlichen. Deren Geschichten würden wenig diskutiert und kommentiert, weil es bislang nicht möglich sei, einen Link für den Artikel weiterzuleiten.
Auch Frank Thomson, Chefredakteur von stern.de, befürwortet das kostenlose Geschäftsmodell. Ihm ist es besonders wichtig, die Reichweite des Mediums beizubehalten. “Wir stehen am Anfang einer Neusortierung, weil die Märkte immer weiter zusammenwachsen. Die Zukunft wird digital sein. Und wir Journalisten müssen uns so aufstellen, dass wir alle noch da sind, wenn der letzte Baum gefällt ist”, sagt er.
Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatt, hat dagegen gute Erfahrungen gemacht, die Online-Leser zur Kasse zu bitten. “Wir bieten zunächste einmal attraktive Bezahlmodelle an, keine Schranke”, sagt er. Nach einem kurzen Einbruch würden derzeit pro Tag 40.000 digitale Angebote abgerufen.
Auch Stefan Plöchinger, Chefredakteur von sueddeutsche.de, sieht bislang keinen Grund, das Modell zu verändern. “So lange der Spiegel kostenfrei anbietet, brauchen wir gar nicht daran denken auf die pay-Schiene zu wechseln”, sagt er. Ähnlich wie beim Spiegel verkaufe sich auch die iPad-Applikation der Süddeutschen Zeitung sehr gut. “Die Marke ‘Süddeutsche Zeitung’ habe ein gutes Image. “Das schätzen die Leute” sagt Plöchinger.
Im Gespräch ist das Modell der New York Times, die den Nutzern ihrer Webseite eine begrenze Anzahl an Artikeln pro Monat kostenlos zur Verfügung stellt. “Die Leute gehen auf die Seite, finden vielleicht Gefallen daran und sind gegebenfalls dann bereit, auch etwas für die Inhalte zu bezahlen”, sagt Haider.
Aber wie viel investigativen Journalismus können sich Anbieter leisten, wenn sie von ihren Kunden kein Geld nehmen? Spiegel und Stern arbeiten eng mit der jeweiligen Printredaktion zusammen. Von Blumencron: “Wir würden verrückt werden, würden wir das nicht tun”. Eine größere Gefahr für die Printmedien sieht er woanders: “Die Zeitreserven, die man sich sonst für das Lesen einer Zeitung genommen hat, brechen immer mehr zusammen.”